Oberleutnant Erich Saffert
Hochwohlgeborenen Herrn Dr. Erich Saffert, Salzburg, Julius Haagnstr. 16
Baden bei Wien staatliche Heilanstalt.
Innsbruck, 10 / 5 1931
Lieber Freund! Aus Ihren beim M. M. Theresien – Orden anliegenden Akten, die ich mir kommen ließ, habe ich ersehen, daß Ihnen schon im März 1924 mitgeteilt wurde, die Bewerbung um den Orden können nach den Ergänzungen der Ordens Statuten vom J. 1878 nur Offiziere zugesprochen werden. Seither hat das Kapitel in mehreren ähnlichen Fällen unverändert an diesem Standpunkt festgehallten.
Es tut mir sehr leid, Ihnen keine besseren Nachrichten zukommen zu lassen u. bleibe mit den herzlichsten Grüßen Ihr Dankl GO
Seine Verwundungen und Erkrankungen
1915
2. Mai Feld- u. Reservespital Brunneck - Spital Salzburg, Kugelschüsse an der linken Wade u. am rechten Oberschenkel
1916
Februar 1916 Malaria laut Angabe Saffert, Influenza lt. MilÄrztl. Zeugnis, Spital Kielce und Lubin
18. 5. 1916 ins Feldspital Bajonettstich am rechten Oberschenkel
1916 Minensplitter, Schussverletzung an beiden Händen
29. August div. Sanitätsanstalten schwerer Lungensteckschuss (Splitter) subarbitrirt als Invalide.
Im Jahr 1923 wurde das Sprengstück in München entfernt und in Gold gefasst.
Zwei Briefe und ein Tagebucheintrag sind hier exemplarisch veröffentlicht, wobei der Dank der SWGR hier herzlichst an Frau Erna Gurtner ausgesprochen werden muss, die unermüdlich die Reinschrift der Akten verfasst.
K.u.k. Inf. Rgt. Erzherzog Rainer Nr. 59. Gr. Kmdo. d. 3. I.T.D. Absender: Erich Saffert, k.u.k. Kadett im I.R.59. 1.Feldk. Adjutant des Gruppen Komdt. der 3. I.T.D. Feldpost 174 Zeit: am 6 ten Dezember 1915 um 7h 20m vorm.
Liebste Gretl!
Komme endlich einmal meinem Versprechen nach, dir einen meiner Patrouillengänge an der Front näher zu schildern. Gleich in medias res!
Es ist Mitternacht. Mit Pistole und Spaten bewaffnet, trete ich aus meiner Villa „Insektenheim“ heraus in den Schützengraben. Pechschwarze Finsternis liegt über den Fluren, zeitweise durchkreuzen grelle Raketen den dunklen Nachthimmel, ein Stück des Vorterrains hell beleuchtend. Nichts regt sich, nur das fortwährende „Batz“ der russischen Explosivkugeln und das beinahe melodische Pfeifen der normalen feindliche Geschosse hört man, manchmal unterbrochen durch „Halt!- wer da!“ Rufe unserer Posten. Langsam wie ein Nachtwandler gehe ich dahin, bis sich das Auge an die Finsternis gewöhnt hat. Jetzt bin ich bei der Sammelstelle der freiwilligen Patrouilliere angelangt, sechzehn Gestalten harren dort meiner, das Gewehr mit aufgepflanztem Bajonette in der Hand, in beiden Manteltaschen je zwanzig Patronen. Die nötigen Befehle habe ich bereits am Tage vorher erteilt, jeder einzelne weiß, um was es sich handelt und was er machen muss, wir gehen also gleich ans Werk.
Lautlos, einer hinter dem andern entsteigen wir dem dunklen Schoß der Erde. Jetzt heißt es, durch das Labyrinth der Drahthindernisse hindurch kommen, anschließend daran durch das Minenfeld. Doch der im Zickzack führende Weg ist mir schon bekannt, bietet also keine Schwierigkeiten mehr. Posten und Feldwachen werden mit dem Feldrufe abgefertigt, jetzt steigen wir noch über den Falldraht, und wir haben die Hinderniszone glücklich hinter uns. Wir gehen sofort in Schwarmlinie über und bleiben vorläufig liegen. Die Geschoße pfeifen normal weiter, nichts Verdächtiges zu bemerken, und so gebe ich dann das Zeichen zum Vorrücken. Einzeln und sprungweise wird vorgegangen. Da steigt vor uns eine feindliche Rakete auf, sofort liegen wir alle regungslos eng an den Boden geschmiegt da und warten, bis es wieder finster ist. Jetzt sind wir auf ca. fünfzig Schritte an die russische Feldwache herangekommen, ohne dass wir bemerkt worden sind, ich gebe das Zeichen zum Halten und nun wird beobachtet, unterstützt durch Raketen, die bald links, bald rechts, bald vor und bald hinter uns abgeschossen werden. Nach beiden Seiten schicke ich zwei Mann Flankendeckung hinaus, um vor dem Abfangen sicher zu sein. Mittlerweile beginnt es allmählich zu dämmern, man sieht schon bis auf zwanzig Schritte, jetzt kommt die Zeit zum Handeln.
Elf Männern gebe ich den Befehl einzurücken, die fünf schneidigsten behalte ich bei mir. Jetzt avisiere ich „weiter vorrücken“. In der rechten Hand die Pistole, in der linken den Spaten und um den Hals den Zeiss Feldstecher krieche ich am Bauche dahin, langsam und vorsichtig. Es dämmert bereits, die Zeit, wo die russischen Posten und Feldwachen einrücken. Meine Absicht ist es, den abziehenden Feldwachen zu folgen und in einer, dem Feinde möglichst nahen, Feldwachstellung gedeckt einige Skizzen und Wahrnehmungen zu machen. Dies gelingt mir auch, noch immer vom Feinde unbemerkt. Wir sind bereits so nahe, dass wir die Russen im Schützengraben reden hören. Da bemerke ich ca. fünfzehn Schritte vor mir den Ausgang des feindlichen Laufgrabens vom Schützengraben her. Sofort steht mein Entschluss fest. Ich nehme eine mitgebrachte Handgranate zu mir und von einem Gefreiten begleitet, krieche ich wie eine Schlange auf den Laufgraben los. Kaum sind wir aus der Feldwachstellung heraußen, da beginnt plötzlich der russische Scheinwerfer zu arbeiten. Eine verflucht unangenehme Lage, vierzig Schritte vor uns der feindliche Graben und wir ganz ungedeckt auf freiem Felde. Doch auch das wird glücklich überstanden, und wir gewinnen immer noch unbemerkt den Laufgraben. Wir schleichen uns noch ein Stück vorwärts, doch die Sache wird schon etwas ungemütlich. Die Handgranate wird schnell als Mine im Boden verankert, in einen vorgefundenen russ. Rucksack stopfe ich Patronentaschen mit japanischen Explosivgeschossen und andere Munition, einen russ. Spaten und andere Sachen (Bajonett etc.), die sich im Graben befanden. Eben wollte ich mit dem Gew. wieder zurück, - es war mittlerweile fast taghell geworden - und hatte die Absicht, in einer dieser Feldwachstellungen tagsüber zu bleiben, um mit Einbruch der Dunkelheit in die eigene Stellung zurückzukehren, da war bei den Russen plötzlich Alarm, wir waren bemerkt worden.
Jetzt hieß es Fersengeld zu geben. Unser plötzliches Erscheinen musste aber bei den Russen eine lähmende Wirkung ausgeübt haben, denn zunächst war nur ein wirres Geschrei und Durcheinander, bis sie allmählich zu schießen anfingen, da sie sahen, dass wir nicht stürmten sondern zurückliefen und nur sieben Mann stark waren. Mittlerweile hatten wir aber im schnellsten Tempo einen ziemlich großen Vorsprung gewonnen, da beginnt plötzlich in unserer linken Flanke ein russ. Maschinengewehr zu rattern. Ich hatte gerade noch Zeit, mich in eine Ackerfurche hineinzuschwingen, da sausten auch schon die Kugeln kaum spannhoch über mir hinweg. Die Pausen in der M.G. Beschießung benützen wir, um sprungweise zurückzugehen. Als wir auf ca. achtzig Schritte vor die eigene Stellung glücklich gekommen waren, da wurden wir mit dem eigenen Maschinengewehr eingefangen. In welcher Gemütsverfassung ich in diesem Augenblick gewesen bin, lässt sich schwer schildern. Zum Glück hörte dieser Trottel bald auf zu schießen, da ihn die Anderen gleich eines Besseren belehrten. Dieses Ober – Rindviech wurde auch gleich vom Baons und Komp. Kommandanten an Ort und Stelle abgeohrfeigt und zum Schluss auch noch von mir mit einer schallenden Ohrfeige bedacht. Kurz und gut, ich bin mit meinen Leuten und meiner Beute gesund und wohl zurückgekehrt und wurde dann zum Regts. Komdo zitiert, um persönlich Bericht zu erstatten. Also geschehen anno 1915 am 16. November.
Nun hast du eine kleine Vorstellung, wie es hier zugeht, natürlich lässt sich das nie so schildern, wie es in Wirklichkeit ist. Bitte schreib mir, ob du diesen Brief erhalten hast. Wie geht es den lb. Eltern, seid ihr alle gesund? Ich befinde mich wohl. Euch und alle Bekannte grüßt recht herzlich Dein Bruder Erich
6. VII. 1916
Ehrenf. Herrn Andreas Saffert, K. K. Bezirksförster in Salzburg, Paracelsusstr. 14. / 1
Absender: Erich Saffert, Fähnrich i. d. Res., I. R. 59, 3. Feldkomp., Feldpost 64 im Felde am 4. Juli, 1916
Liebste Eltern!
Unter meiner Kriegsbeute vom 2. d. M. befanden sich auch einige ital. Feldpostkarten, deren ich Euch eine der Originalität halber schreibe. Ich bin wohlauf und gesund. Letzte Nachricht von Onkel Georg vom 26. Juni. Am 1. August werde ich wahrscheinlich Leutnant. Am 2. Juli bin ich neuerlich zur großen Silbernen mit der Spange eingegeben worden, am 29. Juni zur kleinen Silbernen. Urlaub gibt es noch immer nicht, vielleicht in der zweiten Hälfte Juli. Ich grüße Euch alle recht herzlich! Erich.
Diese Karte und 3 unbeschriebene haben sich erhalten und sind in der Sammlung der SWGR
10. April 1916 Montag. Heute ging ich ins K u. K. zahnärztliche Ambulatorium, wo mir in fünf Minuten ein Zahn plombiert wurde, das Reißen eines Stockzahnes geschah folgender Maßen. 10 h 15 vorm. Beginn. Ich sitze auf einem Sessel ohne Kopflehne. 10 h 17`setzt er mit der zweiten an. 10 h 19´mit der dritten. 10 h 22` zersplittert er mir den Zahn mit der vierten Zange.
10 h 25`kommt er mit der sechsten Zange. Ich werde wild und spucke ihn mit Blut an. 10 h 28`reißt das erste Stück heraus. 10 h 32`kommt der Oberarzt und reißt mir mit der siebenten Zange einen Großteil des Zahnes u. einem Teil des Kiefers heraus, wobei der halbe Gaumen flöten geht und ein Loch entsteht, daß ich die Luft von der Nase durch das Zahnloch in den Mund ziehen kann und umgekehrt Speisen oder Getränke durch die Nase weiter herauskommen. 10 h 35`zieht mir der Off. Arzt mit einer Pinzette die letzten Splitter heraus. Das ganze geschah ohne Injektion.
LEBEN UND STERBEN LASSEN
Der unerwartete Angriff. Ein junger italienischer Leutnant wird von Erich Saffert mit einem Kopfschuss getötet. Ein Infanterist rettet ihm Sekunden später im Gefecht das Leben und stirbt selbst durch einen Herzschuss. Er wird verwundet und tötet einen zweiten Angreifer mit dem Messer im Nahkampf. Einen Tag später findet er die Fotos des italienischen Leutnants. Der junge Infanterist Kirchsteiger, der ihn rettete und sein Leben gab, wird als einer von sechs beim berühmten Rainergrabstein beerdigt. Wanderer kommst du nach Salzburg, sag ihnen, dort in der Heimat, dass wir gefallen, getreu unserem Kaiser und Land. Schicksale erfüllten sich.....
Zurück bleiben vier Gefallene und Erich schreibt ein Buch, in dem sie Geschichte schreiben. Sie bleiben nicht namenlos, gesichtslos und somit unvergessen,....
Die genaue Beschreibung des Gefechtes haben wir aus den zwei Seiten seines Buches übernommen, untenstehend noch der gekürzte Brief an seine Schwester.
6. VI. 1916
Absender: Fähnrich Saffert, I.R. 59, 1. Feldkomp. Feldpost 64
Wohlgeb. Familie Saffert, Salzburg, Paracelsusstraße 14.
im Felde am 4. Juni, 1916
Liebste Eltern! u. Schwester!
Wenn Ihr mich jetzt sehen würdet, so würdet Ihr wohl nicht glauben daß ich solche Strapazen hinter mir habe, ich sehe nämlich sehr gut aus. Bei mir hat es den Anschein, als müßten die Strapazen fördernd wirken auf Aussehen u. Entwicklung. Bitte, ängstigt Euch nur nicht um mich, Unkraut verdirbt nicht, sagt ein altes Sprichwort.
Ich möchte wohl verflucht gerne wieder einmal im Garten herumpatzen und etwas anderes betreiben, als Menschen ins Jenseits befördern. Habe am 18. Mai einen Leutnant erschossen, ein jungen Burschen mit 21 Jahren, der Schuß ging durch den Stahlhelm durch Stirne u. Kopf und ich habe ein Lichtbild von ihm und seiner Braut. War ein schneidiger Junge. Die Italiener sind übrigens so perplex und anscheinend der Verzweiflung nahe, daß sie nicht mehr wissen, was sie tun u. lassen sollen. Wir haben sie auch exemplarisch verledert. Ihre Kerntruppen (Alpini) sind Hunde, schießen bis man sie niederhaut, doch das wird dann immer gründlich besorgt.
Mit herzlichen Grüßen u. Küssen Erich.
Seine letzte, schwere, Verwundung und Ende seiner Militärlaufbahn:
Sein Brief vom 6. IX. 1916
Ehrenw. Herrn Andr. Saffert, Förster in Salzburg, Parazelsusstr. 14. / I.
Absender: Lt. Saffert, IR 59, Innsbruck Not Res. Spit. 3, Müllerstr. 38.
Spital, am 6. September, 1916.
Liebste Eltern u. Schwester!
Nun habe ich Muße und Zeit zur Genüge zum Schreiben, aber an Stoff wird es fehlen. Von meiner Verwundung bezw. wie ich sie erhielt, gebs zwar eine Menge zu erzählen, doch das geht mündlich besser. Es ist jegliche Gefahr längst vorüber und da Ihr Euch deshalb absolut keine Sorgen mehr zu machen braucht, so kann ich Euch auch die Art der Verwundung näher beschreiben. Ich war schwer verwundet. Es war bezw. ist weder eine Gewehrkugel noch eine Schrapnellkugel, sondern ein Granatsprengstück, zum Glück kein großes. Der Einschuß ist drei Finger unter der linken Achselhöhle, etwas gegen den Rücken zu, das Geschoß blieb neben dem Herzen stecken. Es ist ein selten glücklicher Schuß. Es ist nicht eine größere Ader in der Lunge verletzt u. ich habe verhältnismäßig wenig geblutet, auch innen nicht. Ich war immer bei vollem Bewußtsein. Durch dieselbe Granate (28 cm Minengranate) wurde noch ein Fähnrich meiner Komp. getötet und noch drei Inftr. schwer verwundet. Damals ging es ärger als in der Hölle zu, doch davon mündlich. Heute werde ich wahrscheinlich röntgenisiert, um den Sitz des Sprengstückes festzustellen.
Von 1918 bis 1927 war Sauerbruch an der Universität München tätig. Hier beschäftigte er sich vor alle mit der operativen Behandlung von Patienten die an der Lungentuberkulose erkrankt waren. Für diese Patienten entwickelte er auch spezielle Diätpläne. Von 1928 - 1949 war er Professor für Chirurgie an der Berliner Universität und Direktor der dortigen Chirurgischen Universitätsklinik an der Berliner Charité. Während dieser Zeit führte er seine kompliziertesten und riskantesten Operationen durch. Diese Operationen brachten ihm im In- und Ausland grenzenlose Bewunderung und Vertrauen ein. Ferdinand Sauerbruch starb 1951 in Berlin.