Infanterist Josef Schwarz
Auermannsohn von Engelham, beim k.u.k. Regimente 59, 15. Kompanie, am 16. Nov. 1914 an der Weichsel in Galizien verwundet, legte im Mai 1915 während seines Aufenthaltes im Militär-Reconvaleszentenheim zu Salzburg in mehreren Briefen an seine Eltern seine Kriegserinnerungen nieder.
Benefitziat Paul Kettel
Salzburg, 19. Mai 1915
Liebe Eltern
Endlich komme ich dazu, Euch einiges aus meinem Kriegserlebnissen und die Umstände meiner Verwundung zu erzählen. Nachdem wir im August 1914 Salzburg verlassen hatten, fuhren wir bis Rudki in Galizien, wo wir am 12. August auswaggoniert wurden. Sofort gingen die Dauermärsche an. Wir marschierten gegen Lemberg, dort gelangten wir bis Rawaruska. Dann ging es im Zickzack zur russischen Grenze.
Unvergesslich bleibt mir der 28. August. Ein paar hundert Mann, unter diesen auch ich und der LECHNER ALBERT, Zugsführer, wurden versprengt. Was tun ? Wir schlugen an einem gesicherten Ort Lager. Ich ging abends fort, um in einem benachbarten Dorfe reines Wasser zu holen. Die Ausrüstung hatte ich abgelegt. Der Lechner Albert, welcher sich gleich dem anderen Kameraden niedergelegt hatte, versprach mir, meine Sachen zu bewachen. Ich ging und ging, beinahe eine Stunde und kam in ein Dorfe. Wenn ich gewusst hätte, dass während meiner Abwesenheit unser Lager von Kosaken überfallen wurde und etliche Kameraden sogar ihr Leben dabei lassen mussten ! Als ich im Dorfe Wasser gefunden hatte, wollte ich vorsichtig den Rückweg antreten. Doch kaum war ich 100 Schritte gegangen, halt was war das ?. Das Dorf wurde von Kosaken beschossen. Rasch entschlossen schloff ich unter einen verlassenen Munitionswagen am Wege. Da lag ich die ganze Nacht. Es war aber damals schon empfindlich kalt. In aller Frühe ging ich auf der Straße zurück. Die Freude ! Mir entgegen marschierten unsere Leute, die mich für verloren hielten.
Von Ihnen erfuhr ich den gestrigen Überfall. Schnell lief ich ins Lager zurück, um meine Ausrüstung zu holen. Aber welche Verwüstung sah ich ? Einige tote Kameraden lagen da, meine Ausrüstung war nicht mehr zu finden. Ich nahm also einen Toten seine Ausrüstung ab und setzte schleunig meinen Kameraden nach. Ich fand sie auf freiem Felde in der Nähe des Dorfes, wo ich gestern Wasser holte. Im Dorfe selber lag das II. Baon von 59er Regimente.
Am 29. August verlief der ganze Tag hübsch ruhig. Wir waren Reserve und kamen erst am Abende ins Gefecht, da die Russen einen neuen Überfall versuchten. Immer weiter erstreckte sich der Vormarsch ins Russland hinein in nordwestlicher Richtung und kam erst vor Lublin zum Stillstande.
Der 30. August war ein sehr kritischer Tag. Als wir in Feuerlinie vorgingen, bekamen wir keinen Russen zu sehen. Auf einmal hieß der Befehl „nieder“! Dann sind Kugeln geflogen als wenn sie .?.?.?
Dann kommandierte unser Kommandant „vorwärts“! Im größten Kugelregen vorwärts ! Wir fürchten nichts. Die Kameraden fielen links und rechts, doch noch immer rasten wir vorwärts. Als wir auf 30 Schritte an die feindliche Stellung herangekommen waren, erhielten wir heftiges Flankenfeuer. Das kam von Zivilisten, die mit russischen Gewehren auf uns Feuer gaben. Hinten nach wurden sogar unsere Verwundeten von der Zivilbevölkerung umgebracht.
Am 31 August hatten wir Befehl zum Vorrücken, wurden aber von der russischen Artillerie so stark beschossen, dass das ganze Regiment sich in ein Dorf zurückziehen musste. Dort blieben wir den ganzen Tag und entschädigten uns für die angestandenen Strapazen. Wir schlachteten Schweine und taten uns einen guten Tag auf. Auch an Zucker hatten wir keine Not, da wir neben einer Zuckerfabrik im Quartier lagen.
Am 6. September ging bei uns der Rückzug an und dauerte sieben Tage. Während dieser sieben Tage waren wir vom Train getrennt, da gab es keine Menage und kein Brot, dabei wurden wir täglich von den Russen heftig beschossen. Gingen wir in ein Haus, konnte man um kein Geld kein Stück Brot kriegen, dafür hörte man das allbekannte „Nimma nix, Pane“ Doch meine Ausrüstung habe ich nie hintgelassen.
Unser Rückzug kam erst hinter Tarnow zum Stillstande. Nach einiger Zeit wagten wir einen neuen Vorstoß gegen Lezaisk. Als unsere Schwarmlinien sich der Stadt Lezaisk näherten, wurden wir von den Dächern mit Maschinengewehren beschossen, aus den Fenstern waren Gewehrläufe gegen uns gerichtet. Im Sturme nahmen wir Lezaisk. Die Russen hingegen nahmen laufend, reitend, fahrend schnell Reißaus. Deutlich hörten wir noch wie sie schrien „Die Blumenhunde, die Blumenhunde“ ! Doch was kümmerten uns die Russen. Gierig fielen wir über die russischen Fahrküchen her. Wir hatten zum Glück wenige Verluste, aber die Russen mussten sehr viele Gewehre, Munition und Train in unseren Händen Lassen, auch 1200 Gefangene blieben uns. Jetzt gings über die russischen Fahrküchen her. Hände und Arme in die Fleischbrühe hinein, so fingen wir uns das Fleisch aus dem großen Kochgeschirren heraus und zerschnitten es mit den Bajonetten. Daneben war auch in den Kästen noch rohes Fleisch vorhanden. Das wurde ebenfalls geteilt und in die Tornister verpackt. Am anderen Tage brachen wir von Lezaisk auf, da haben wir dann die Russen tüchtig über den San gejagt.
Am San legen wir fünf Tage. Ich erinnere mich noch, dass an dieser Stelle beim Deckungsgraben einer meiner Kameraden fiel. Der war ein Frevler, der über das Beten und Beichten spöttelte, wenn wir beten wollten. Wir drohten ihm oft: „du wirst schon noch einmal darauf kommen“ ! Aber alles umsonst. Möge Gott ihm ein gnädiger Richter sein! Gar manche freilich waren, wie anders wo, so auch hier leichtsinnig genug, und sprangen über die Deckung hinaus, zeigten z.B. beim Scheißen eigens den Russen spöttend den Hintern, von feindlichen Kugeln getroffen stürzten sie wieder in die Deckung zurück und hin waren sie.
Nach fünf Tagen wurden wir abgelöst und gingen nach Lezaisk ins Quartier zurück. Am zweiten Tage unserer Ruhepause jedoch war um 4 Uhr nachmittags Alarm, da hieß es schon wieder marschieren. Wir marschierten bis 1 Uhr nachts. Nach kurzer Rast ging es um 6 Uhr früh vorwärts ! bis 10 Uhr abends. Als wir in Doppelreihen auf der Straße dahinzogen, wurden wir ahnungslos plötzlich aus kürzerster Nähe von den Russen mit Maschinengewehren angeschossen, die in unseren Reihen so furchtbar wüteten, dass von 260 Mann nur mehr 55 übrig blieben, alles übrige war tot. Also schnell zurück auf 800 Schritte und eingraben ! Das war bei Nisko am San. Nachdem wir Verstärkung erhalten hatten, vertrieben wir die Russen neuerdings aus ihren Stellungen bei Nisko und konnten nach blutigem Kampfe in die Stadt eindringen. Dann warfen wir die erschreckten Russen nochmals über den San zurück.
Acht Tage und neun Nächte lagen wir wieder am San, ohne abgelöst zu werden, dort starben sehr viele von uns an Cholera. Schließlich wurden wir abgelöst. Und nachdem wir noch zwei Tage in einem Walde gelegen, wurden wir ins Hinterland zurückgenommen. Unser Standort war damals die Gegend südlich von Krakau.
Am 16. November abermals Alarm, schon gegen Abend. Wir marschierten durch Krakau hinaus auf der sogenannten Warschauer Straße beiläufig drei Stunden. Hernach bogen wir von der Straße ab nach links und stiegen in unsere Deckungen. Um 11 Uhr nachts stürmten wir die russischen Deckungen.
Da wurde mir durch eine russische Kugel das Gewehr aus der linken Hand geschossen. Ich spürte sofort, wie mir das Blut warm von der Hand zum Arm zurücklief. Mich niederduckend sprach ich zu meinem Kameraden JOHANN SCHLAGER „Mach Licht mit meinen Zündhölzchen“ Mein treuer Kamerad gehorchte. Beim schwachen Lichtlein sahen wir auf einen Augenblick , wie meine linke Hand, besonders am Rücken ganz zerschmettert und zerrissen war. Rasch nahm mein Kamerad das Verbandspackl aus meiner linken Blusentasche und verband mich. Ich sprach dann „ Schauen wir, dass wir schnell nachkommen!“ Mein Kamerad ganz energisch „Schau, dass du sofort zurückkommst !“ So ging ich nachts in ein Barackenlazarett bei Krakau, wo ich nachts schlief, dann wurde ich in das Festungsspital No 2 in Krakau überstellt und dort ärztlich verbunden. Später kam ich nach Wadowice und endlich nach Wiener Neustadt.
33 Schlachten machte ich mit, bei der 34. ward ich verwundet. Mein Kamerad Johann Schlager wurde, wie ich hörte, Ende November verwundet, ging aber ein zweites mal ins Feld. Wie mag es ihm noch ergangen sein ? Weiß gar nichts mehr von ihm. Melde dich Kamerad Schlager !
Im Original übernommen von der Niederschrift des Hrn. Benefitziat Paul Kettel, nun in der Sammlung SWGR – alle Rechte vorbehalten.
Alle drei Soldaten überlebten den Krieg ( Anm: SWGR ).